Unsere Geschichte

Das Rektifizierte Schottische System

Eine Zusammenfassung

Die Geschichte des RSR beginnt im 18. Jahrhundert.

Mitte des 18. Jahrhunderts hatte der schottische Freimaurer Andrew Michael Ramsay (1686 bis 1743) in einer Rede in Paris neben dem Johanniterorden auch die Kreuzfahrer/Tempelritter-Tradition als ein Vorbild für eine internationale Organisation erwähnt. Symbole und Handlungen der Tempelritter wurden damals in der Gedankenwelt der Freimaurer populär.

Seal_of_TemplarsIn dieser Zeit kamen verschiedene freimaurerische Geheimgesellschaften mit Hochgraden auf, von denen die meisten inzwischen verschwunden sind, ohne nennenswerte Quellen zu hinterlassen. Daher wissen wir nichts genaues über viele dieser Systeme. Eine südliche, mehr esoterisch-mystisch-alchemistisch geprägte Freimaurerei mit rosenkreuzerischen Einflüssen traf damals in Europa auf die mehr demokratisch-pragmatische Maurerei englischer Auffassung. Nachdem mehrere Freimaurerische Systeme mit weiterführenden Graden entstanden, brachte auch Martines de Pasqually (1715 bis 1774) zwischen 1739 und 1756 ein Hochgradsystem hervor, das in vielen Logen zur Anwendung kam. Dieses System hat auch den späteren RSR beeinflusst.

Geschichte RSR: Reichsfreiherr von Hund

Beginn der Strikten Observanz

Durch die Aktivitäten des dynamischen, eloquenten Freimaurers Karl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau (1722 bis 1776) entstand ab 1751 eine neue, klar gegliederte Organisationsstruktur mit drei Johannisgraden und zunächst drei (ab 1770 vier) darüber hinaus gehenden Hochgraden. Von Hund bekundete wiederholt, er habe den geheimen Auftrag dazu aus Paris erhalten, danach sei jedoch sein Kontakt zu diesem Auftraggeber und den Oberen abgerissen; sie seien ihm daher unbekannt. Das so errichtete System trug den offiziellen Namen »Hoher Orden der Ritter des Heiligen Tempels zu Jerusalem«. Nachdem diese Erklärung früher angezweifelt worden war, gilt sie unter Historikern inzwischen als schlüssig.

Okkulte und alchemistische Praktiken wurden vom Orden zwar offiziell zunächst nicht gefördert, waren damals aber so in Mode, dass viele der vermögenden Brüder sie trotzdem praktizierten. So fanden sie Einzug in das System. Von den Rittergraden erwartete man sich vielfach tiefer gehende Erkenntnisse und weiteres geheimes Wissen. Wer aus anderen Systemen in den Orden übertrat musste zuvor »Unbekannten Oberen« die Treue schwören.

Ein aufstrebender Orden

Verständlicherweise unterblieb während des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763) die Entwicklung des Systems, um danach jedoch verstärkt einzusetzen. 1764 wurde von Hund vom »Großprieur und Commissarius« Johnson des »Clermontschen Systems« (51 Logen) zu einem Konvent nach Altenberge (Thüringen) eingeladen. Der Freiherr von Hund, welcher zunächst geglaubt hatte, mit Johnson einen wahren Eingeweihten mit Kontakt zu den Oberen vor sich zu haben, entlarvte diesen jedoch in einer dramatischen Aktion vor 40 Teilnehmern als Betrüger und Schwindler. Er forderte ihn auf Degen und Pistolen. Johnson bat sich einen Tag Bedenkzeit aus und flüchtete (er wurde aber später gefasst und bis zu seinem Lebensende auf der Wartburg eingesperrt). In der Folge schlossen fast alle Logen dieses Systems dem Orden des Freiherrn an.

Den Name

Seither wurde der Name »Strikte Observanz« für das System gebräuchlich. Der Name deutete darauf hin, dass im Orden  nach seinem Selbstverständnis die Freimaurerei strenger und ernster betrieben wurde als in anderen Strömungen. Die Freimaurerei, die nicht dem System der strengen Observanz angehörte galt demgegenüber als sog. »Laten Observanz« (als »strenge Observanz« bezeichnete Strömungen finden sich auch in der Geschichte mancher katholischen Orden, etwa bei den Franziskanern oder bei den Zisterziensern).

Der weitere Ausbau

Karl Gotthelf von Hund und seine engsten Mitarbeiter, vor allem Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf und Johann Christian Schubart arbeiteten zügig am weiteren Ausbau des Systems und man war dabei auch sehr erfolgreich. Da weiter kein Kontakt mit den Auftraggebern zustande kam, begann man das System selber inhaltlich zu entwickeln. Eine mehrfach versuchte Kontaktaufnahme mit dem schwedischen, christlichen System durch von Hund und Zinnendorf zwecks Ritual-und Wissensaustausch scheiterte. Der Abgeordnete Landesgroßmeister der 1761 gegründeten Schwedischen Großen Landesloge Karl Friedrich Eckleff stand den Bemühungen des fremden Systems misstrauisch gegenüber. Wie von Hund berief auch Eckleff sich in seiner Geschichte auf eine Vollmacht von außen, welche er 1751 aus Genf erhalten hatte. Sein System hatte möglicherweise rosenkreuzerische Elemente.

Gründung der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (FO)

1766 verließ von Zinnendorf allerdings den Orden und ließ privat von einem Gesandten in Stockholm für 200 Dukaten die Rituale des Schwedischen Systems kaufen; dabei war auch eine Vollmacht, Logen nach diesem System zu gründen. Schon 1768 begann er mit der Grüdung einzelner Logen und 1770 errichtete er mit 11 Logen die »Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland« (GLLvD), welche von England anerkannt wurde. Vermutlich als Reaktion darauf (…) machte von Hund die symbolische Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« (deren Stuhlmeister Zinnendorf einst gewesen war) zur »Großen National-Mutterloge der Preußischen Staaten«, während ihr innerer Orden die Präfektur Templin (Berlin) bildete. [Walter Hess]

Der Wettlauf der Systeme war in vollem Gange und die strikte Observanz lag um mehrere Längen vorn. Obwohl nicht statthaft, gehörten damals aber auch Brüder mehreren Systemen an. Die Große Landesloge übernahm sogar Spruch und Wappen der VII. Provinz (Niederdeutschland) der Strikten Observanz.

Willermoz und die Grand Loge de Maîtres Réguliers de Lyon

Jean Baptiste Willermoz (1730 bis 1824) hatte 1760 in Lyon mit zunächst drei Johannislogen die »Grand Loge des Maîtres Réguliers de Lyon« gegründet. Der Seidenkaufmann aus Lyon war ein tief blickender freimaurerischer Okkultist, ein geschickter Taktiker und zugleich ein glänzender Organisator. Die Logen seines Systems arbeiteten in 3 Johannisgraden und 4 Hochgraden. Das französische System besaß eine hohe Anziehungskraft und wuchs in Frankreich ebenfalls schnell. Das System von Willermoz stand jedoch in Konflikt mit der französischen Großloge. Der Kontakt zwischen einem Beauftragten v. Hunds und Willermoz führte dazu, dass 1774 alle Logen der »Grand Loge Maîtres Réguliers de Lyon« sowie weitere Logen in ganz Frankreich der »Strikten Observanz« beitraten. Deswegen konnte diese mit einem Mal drei neue Provinzen eröffnen und wurde zur echten internationalen Organisation. Zum ersten Mal in der Geschichte gab es einen bedeutenden internationalen Orden mit offiziell freimaurerischer Ausrichtung.

Höhepunkt und Probleme

Um 1775 war der Orden auf seinem absoluten Höhepunkt. Er stellte zu jener Zeit die mächtigste Freimaurerorganisation der Welt dar mit einem symbolischen Teil (Grade 1 bis 3 und 4) und einem inneren Orden (Grade 5 bis 7). 26 Fürsten waren Mitglieder des Systems, davon 12 regierende. Nahezu alle deutschen und viele weitere europäische Logen gehörten ihm an. Die symbolischen (blauen) Logen waren im Rahmen des gut strukturierten Systems zu einer beispiellosen Blüte und Akzeptanz gekommen; Walter Hess schätzt deutschlandweit ca. 10.000 Mitglieder um 1780.

Ritterromantik

Die (nur von heute aus kitschig anmutende) Ritterromantik der Zeit führte die Brüder des inneren Ordens der »Strikten Observanz« allerdings aber auch weg von der liberalen und demokratischen Johannismaurerei englischer Auffassung, die der Aufklärung verpflichtet war. Man war davon überzeugt, der echte Nachfolger des im 14. Jh. ausgelöschten Templerordens zu sein und strebte nach der Wiedererlangung des »alten« Status.

Streitigkeiten um die Macht

Mit dem rasanten Anwachsen des Systems waren auch Unruhen und Streitigkeiten um Macht und Kompetenzen aufgekommen. Nachgeborene Söhne von wichtigen Fürstenhäusern okkupierten das System. Von Hund wurde im Inneren Kreis verdeckt angegriffen und seine Legitimation und seine Geschichte angezweifelt. Er verteidigte sich nur noch müde. Der einst energievolle Ordensgründer, der 1764 in Altenberge den Schwindler Johnson auf Degen und Pistolen gefordert hatte, war geschwächt. Sein ganzes, vormals erhebliches Vermögen hatte er in die Entwicklung des Ordens gesteckt, eines Systems, von dem er zutiefst überzeugt war, dass es die Welt zum Besseren verändern könne. Ferdinand von Braunschweig wurde zum Großmeister berufen und von Hund starb 1776 auf der Rückreise aus Meinigen, wo er den regierenden Fürsten in das System aufgenommen hatte. Nach dem Tod des Freiherrn von Hund traten die ersten Schwindler auf, welche die undurchsichtigen Strukturen ausnutzten.

Der Orden war an einem Scheideweg angekommen und die bis dahin unter der Oberfläche gewachsene Unzufriedenheit vieler Brüder des inneren Ordens brach jetzt als Reformbewegung an die Oberfläche.

Erste Veränderungen

Am Convent National des Gaules in Lyon im November 1778 wurde das System rektifiziert, im wesentlichen aufgrund der Initiative von Jean Baptiste Willermoz. Willermoz schwächte die Templerlegende ab und schuf das »Rektifizierte Schottische System« (RSS bzw. RSR für Rektifizierter Schottischer Ritus). Hierfür bedient sich Willermoz anderer Quellen und vermischte sie mit den Inhalten der Strikten Observanz.

Der Orden hatte jetzt neben den Graden Lehrling, Geselle und Meister drei weiterführende Grade, nämlich »Schottischer Andreasmeister« (IV°) sowie zwei Grade des Inneren Ordens: »Novize« (V°) und »Wohltätiger Ritter der heiligen Stadt« bzw. »CBCS« (VI°). Aber auch dieses System war noch nicht »ausgewachsen«; so änderten die Brüder in der Folgezeit noch mehrfach die Inhalte und Rituale.

1779 auf dem Konvent der V. Privinz Burgund traten die Logen der »Grand Loge des Maiers Réguliers de Lyon« wieder aus der »Strikten Observanz« aus. Die Große National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln« begann sich 1779 mit ihren Tochterlogen ebenfalls vom System abzulösen, was aber noch bis 1783 dauern sollte.

Der Konvent von Wilhemsbad

Geschichte RSR: Wilhelmsbad
Die Kuranlage Wilhelmsbad

Es knirschte im Gebälk. Die Frage, wohin sich die Freimaurerei entwickeln sollte, ob sie sich mehr den aufklärerischen oder den mystischen Weg gehen sollte, war drängend. Die Illuminaten versuchten zunehmend Einfluss zu gewinnen. Um die Zukunft des mächtigen freimaurerischen Ordens zu sichern und weiteren Zerfall zu verhindern, kamen im Jahre 1782 die Vertreter der Provinzen der »Strikten Observanz« in Wilhelmsbad bei Hanau zusammen:

Am 16. Juli 1782, einem Dienstag, um 8 Uhr in der Früh herrschte in der funkelnagelneuen Kuranlage »Wilhelmsbad« bei Hanau geschäftiges Treiben. In einem als Ordenskanzlei dienenden Zimmer trafen nach und nach 19 Brüder der Strikten Observanz ein, jenes freimaurerischen Ordens, der zu dieser Zeit die kontinentaleuropäische Freimaurerei dominierte. Dort angekommen legten sie den Sekretären ihre jeweiligen Legitimationsdokumente zur Prüfung vor.

Die Prüfung der Dokumente dauerte vermutlich einige Zeit; anschließend mussten die Brüder noch 32 Präliminar-Artikel zur Geschäftsordnung sowie eine Schweigeurkunde unterzeichnen. Schließlich begann die inhaltliche Arbeit mit der Eröffnung der ersten Sitzung.

Keiner der Teilnehmer ahnte zu diesem Zeitpunkt vermutlich, dass der »Wilhelmsbader Konvent« insgesamt ganze 45 Tage andauern würde – von Mitte Juli bis Anfang September 1782. Seine Teilnehmerzahl sollte noch bis auf 35 Brüder ansteigen, sich gegen Ende jedoch wieder stark dezimieren. Die aus ganz Europa zusammengekommenen Brüder würden im Laufe der Tagung bewusst und unbewusst so wichtige Weichen für die kontinentaleuropäische Freimaurerei stellen, wie noch niemals zuvor.

(aus: Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent von 1782. Matthias Hischer, Wilhelmsbad 2023)

Broschüre zum Wilhelmsbader Konvent (Ercheinungsdatum: 2023)

Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent dauerte vom 16. Juli bis zum 1. September 1782. Nach langen Diskussionen beschlossen die Delegierten dort die endgültige Abkehr von der Vorstellung echter, historischer Abkunft der Freimaurer aus dem Templerorden und bestätigten die Willermoz’schen Reformen von Lyon für ihr System. Der offizielle Name lautete nun »Orden der Ritter der Wohltätigkeit und der rektifizierten Maurerei«; der französische Ordenszweig durfte den bisher gepflegten Namen »Chevaliers Bienfaisants de la Cite Sainte« beibehalten. In der Kurzform wurde das System seither Rektifizierter Schottischer Ritus (RSR) genannt. Die Rituale der Grade 1 bis 3 wurden entsprechend beim Konvent verabschiedet, Ritual 4 in den Grundzügen ausgearbeitet, die Rituale V und VI als Skizze vorgelegt und abgestimmt. Auch bei der Organisation nahm man eine Neuordnung vor. Das Großpriorat von Italien wurde als eigene Provinz in die Unabhängigkeit entlassen, das maurerisch sehr rührige niederländische Großpriorat anerkannt.

Die beschlossene Neuordnung der Provinzen war:

  • I: Niederdeutschland
  • II: Auvergne
  • III: Occitanien
  • IV: Italien
  • V: Burgund
  • VI: Ober-Deutschland
  • VII: Österreich
  • VIII: Russland
  • IX: blieb offen für Schweden

Mit der Reformierung der Inhalte des Systems hatte der Orden es aber vor allem erreicht, dass an die Stelle des weltlichen Machtstrebens einiger Brüder eine »geistige Ritterschaft« trat. Diese war von Standesgrenzen unabhängig. Es zählte nicht mehr ererbter Adel, sondern der Adel des Geistes. Die spirituelle Entwicklung stand damit wieder im Vordergrund. Was von heute aus geradezu faszinierend modern klingt, raubte dem Orden jedoch vor allem beim damals die Geschicke Europas beherrschenden Adel einen Teil seiner Attraktivität.

Anderen wiederum ging die Abkehr vom Templergedanken nicht weit genug. Die Wilhemsbader Tagung gilt daher heute auch als Beginn der sog. »Humanitären Freimaurerei«. Der Eklektische Bund als Keimzelle der Humanitären Freimaurerei in Deutschland entstand durch die Initiative einiger mit dem Ausgang sehr unzufriedener Brüder.

Der Niedergang in Deutschland

Die Ordensleitung war mit dem Ausgang des Kongresses höchst zufrieden, hatte man sich doch gegen die Illuminaten durchgesetzt, die den Kongress unterwandern, die Freimaurerei damit übernehmen und eine rein aufklärerische Gesellschaft aus ihr machen wollten. Trotzdem wies das Ergebnis einige Schwächen auf, die im weiteren Lauf der Geschichte für den Orden beinahe tödlich werden sollten. Wichtige und wortgewaltige Kritiker wie v. Ditfurth oder v. Knigge (beides Illuminaten) waren durch den Kongress natürlich nicht zufriedengestellt (Ditfurth z. B. kam verspätet an, stritt sich sogleich mit der gesamten Ordensleitung, hielt eine beleidigende, selbstdarstellerische Rede und reiste schon nach wenigen Tagen wieder ab.)

Allen Logen war eine Frist von einem Jahr eingeräumt worden, damit sie die Reformen annehmen und damit dem RSR beitreten konnten. Alternativ sollten sie das System verlassen.

Fatal war jedoch, dass die Ordensführung bei der Umsetzung der beschlossenen Reformen nur sehr zögerlich ans Werk ging. Mit der Ausarbeitung und Versendung der noch fehlenden Rituale ließ man sich aber über die Maßen Zeit. Der gewählte Generalgroßmeister des Systems Ferdinand von Braunschweig schien mit der Hinwindung des Systems zur geistigen Ritterschaft das Interesse verloren zu haben (er reist auch vorzeitig vom Konvent ab). Spätestens ab 1786 desinteressierte er sich völlig für die Maurerei, aber er war bis zu seinem Lebensende 1792 der reguläre Großmeister des Systems und konnte nicht abgewählt werden. Auch Willermoz kümmerte sich nicht mehr um den Orden, weil er zeitweilig ganz andere Interessen verfolgte. Willermoz begann sich erst Jahre später wieder mit dem System zu befassen. Zudem traten jetzt vermehrt Schwindler und Scharlatane auf den Plan und gaben sich als »Eingeweihte« aus, was dem System weiter Reputation raubte. Dies alles verunsicherte viele Logen stark.

Rückgang in Deutschland und Europa

In der Folge ging die Zahl der Logen, die im »Rektifizierten Schottischen System« arbeiteten, sehr zurück. Die 1779 informell und 1783 formell vom System abgelöste »Große National Mutterloge Zu den Drei Weltkugeln« (3WK) empfing Brüder und Logen, die sich im Stich gelassen fühlten. Sie trafen dort nicht nur bekannte Brüder und eine fast identische Geschichte, sondern auch vertraute Gedanken und Rituale und ein funktionierendes Verwaltungssystem. Andere Logen schlossen sich dem schwedischen System (in Deutschland: GLLvD – Freimaurerorden) an.

Die Logen, die als Reaktion auf Wilhelmsbad den eklektischen Bund gegründet hatten, verweigerten nach einiger Zeit den Brüdern der restlichen Logen des RSR das Besuchsrecht und erkannten die Legitimation des RSR nicht mehr an. Die Zeiten wurden auch politisch schwierig. Die Napoleonischen Kriege überzogen Europa. In Österreich wurde die Freimaurerei generell verboten. Weil die Provinz Burgund 1826 ihre Arbeiten einstellte, übertrug sie ihre Hoheit an das noch aktive Schweizer Großpriorat, das ihr bis dahin formal unterstellt gewesen war.

Geschichte RSR: Carl von Hessen
Carl von Hessen

Carl von Hessen

Nach dem Wiener Kongress, welcher 1815 das Ende der Napoleonischen Kriege besiegelte, erlebte der Orden in Deutschland ein kurzes, stürmisches Aufflackern. Neue Logen wurden gegründet, vor allem betrieben durch Carl von Hessen. Carl war ab 1792 als Nachfolger Ferdinands von Braunschweig der neue Generalgroßmeister des Systems geworden. In Dänemark hatte Carl 1792 die Anerkennung der Maurerei (des Rektifizierten Systems!) als öffentliche Körperschaft erreicht. Von seinem Sitz in Schleswig aus reiste er regelmäßig nach Deutschland und versuchte dabei auch das Rektifizierte System zu stützen bzw. nach Ende der napoleonischen Kriege wiederaufzurichten, z. B. durch Patenterteilungen und Logengründungen in Frankfurt und Umgebung, die zunächst auch sehr erfolgreich waren.

Carl kam seine maurerische Erfahrung, sein großes Netzwerk, aber auch seine zweifellos hohe Intelligenz und sein sehr einehmendes Wesen zugute. Doch als Carl im Jahre 1836 mit 91 Jahren starb, hatten sämtliche von ihm ins Auge gefassten Nachfolger für das Amt des Generalgroßmeisters des RSR schon vor ihm das Zeitliche gesegnet. Dem Landgrafen Friedrich von Hessen, damals Gouverneur von Rendsburg, wurde die Großmeisterliche Würde angetragen, doch dieser lehnte die Mammutaufgabe dankend ab. Das neue Ordensoberhaupt wurde 1838 schließlich Christian Friedrich von Dänemark, der jedoch nach dem überraschenden Tod seines Cousins ab 1839 als Christian VIII. König von Dänemark wurde. Als König von Dänemark konnte er sich nicht mehr um ausländische Logen des Rektifizierten Schottischen Ritus kümmern. Anderenfalls wären diplomatische Verwicklungen die Folge gewesen.

Ende in Deutschland

Die Zukunft des Systems in Deutschland war damit besiegelt. Die deutschen Brüder waren von ihrer Verwaltung abgeschnitten, sie waren durch die Weigerung anderer Systeme isoliert, Besuche zuzulassen und sie hatten keinen einflussreichen Fürsprecher mehr. Vereinzelt bestanden Logen dieses Systems in Deutschland noch eine Weile fort, ehe auch sie sich zum Übertritt in andere Systeme entschlossen (z. B. trat die 1816 gegründete RSR-Loge »Carl zum aufgehenden Licht« in Frankfurt 1840 dem Eklektischen Bund bei). Damit war das System in Deutschland Geschichte. Auch die dänische Großloge schloss sich 1855 in Gänze dem Schwedischen Ritus an. Fest organisiert bestand der Rektifizierte Schottische Ritus danach praktisch nur noch in der Schweiz.

Fortbestand in der Schweiz

Die Schweizer Brüder hielten an der besonderen Form der geistigen Vertiefung fest, die der RSR bietet. Das Großpriorat von Helvetien (UGPH) als übrig gebliebener Teil der V. Provinz Burgund bewahrte den Inhalt und die Autorität des Rektifizierten Schottischen Ritus durch die folgenden Jahrhunderte.

Der RSR arbeitete in der Schweiz weiter in allen sechs Graden. Man verwendete die beim Freimaurerkonvent in Wilhelmsbad beschlossenen Rituale, die wie damals üblich je 1 x  mit der Hand geschrieben und den Logen übergeben wurden. 1844 trat jedoch das UGPH in einem Freundschaftsvertrag die Souveränität über die »blauen« Grade (Lehrling – Geselle – Meister) an die gerade gegründete Großloge ALPINA ab. Der RSR bearbeitete fortan nur noch die Hochgrade 4, 5 und 6. Mit diesem damals sehr umstrittenen Freundschaftsvertrag ermöglichte man letztlich erst die Gründung der Schweizerischen Großloge ALPINA.

Mehrmals gab es in Frankreich freimaurerische Bewegungen, die sich ebenfalls auf die Traditionen von Willermoz oder den RSR beriefen. Zum Teil wurde hier auch länderübergreifend mit dem UGPH zusammengearbeitet. Heute arbeitet in Frankreich die mit der Grand Loge National Française (GLNF) verbundene »Grand Prieuré Rectifié de France« weitgehend nach dem System des RSR, wobei eine lose gegenseitige Akzeptanz besteht.

Der RSR ist das älteste noch bestehende kontinentaleuropäische, weiterführende Freimaurersystem. Bis heute bietet er  die konsequente Fortsetzung der Johannismaurerei mit drei weiterführenden Graden (Hochgrade). Bis Mitte des 20. Jh. schwand jedoch auch in der Schweiz der Einfluss und die Bedeutung des RSR. Die Geschichte ging darüber hinweg, denn die Zeit hatte andere Ideen. Fast schien es, als sei in Europa die Ära der freimaurerischen Spiritualität und damit auch die Ära des RSR vorbei.

Aufleben im 20. Jahrhundert

In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts drehte sich die Geschichte erneut, denn der Rektifizierte Schottische Ritus erlebte eine erstaunliche Renaissance. Plötzlich entstanden neue Präfekturen in der Schweiz, in Frankreich, in Belgien, weil sich die Brüder für alte, faszinierende Ideen der Mystik interessierten. Im 21. Jahrhundert kamen weitere Präfekturen hinzu, etwa in Österreich und Portugal. Die Andreasloge Wilhelmsbad arbeitete als Gründung des UGPH seit 2013 in Deutschland. Im Jahr 2018 wurde vom Großpriorat der Schweiz die Präfektur Wilhemsbad installiert.

Heute umfasst der Rektifizierte Schottische Ritus elf miteinander verbundene Großpriorate auf der ganzen Welt mit insgesamt ca. 4.400 Ordensbrüdern.


Verwendete Literatur (Auflistung chronologisch nach Erscheinungsdatum)

  • Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-Theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit. Graz 1973
  • Friedrich Schmidt: Ergänzungen (zu Note VI bez. VII.,) betr. die Altschottische Direktorialloge »Carl zur aufgehenden Sonne« und der ihr unterstandenen Johannisloge »Carl zum aufgehenden Licht« in Frankfurt a. M., anhand der schottischen Protokolle, in: Aug. Glahn: »Friedrich zum Nordstern in Homburg v.d.H.«, Frankfurt/M. 1912, S. 144 – 150
  • Ludwig Hammermayer: Der Wilhelmsbader Freimaurerkonvent von 1782. Heidelberg 1980
  • Walter Hess: Geschichte des Rektifizierten Schottischen Ritus. Bayreuth 2002
  • Helmut Reinalter et al: Aktenedition über den Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent 1782, Band 1. Basel 2018, Band 2. Basel 2021
  • Matthias Hischer: Der Wilhemsbader Freimaurer-Konvent von 1782. Wilhelmsbad 2019, 2. verb. Auflage 2023